Überschuldung und Insolvenzantragspflicht nach dem neuem Finanzmarktstabilisierungsgesetz

Am 18.10.2008 ist das Gesetz zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Finanzmarktstabilisierungsgesetz) in Kraft getreten. Artikel 5 dieses Gesetzes enthält folgende Neufassung des § 19 Abs. 2 InsO: „Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.“

Der neue Überschuldungsbegriff lehnt sich nach der bisher, überwiegend seit dessen Inkrafttreten heraus gebildeten Auffassung an die Vorstellung des alten Überschuldungsbegriffs aus der Konkursordnung (KO) an, welche bis 31.12.1998 galt. Ihm liegt die Vorstellung zu Grunde, dass zwischen rechnerischer und rechtlicher Überschuldung zu differenzieren ist. Die bilanzielle Überschuldung nach Liquidationswerten ist somit ein Warnsystem, die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft fortwährend zu beobachten und nicht bis zum Eintritt der Zahlungseinstellung weiter zu wirtschaften.

Die vorherrschende Meinung über die adäquate Vorgehensweise zur Ermittlung des alten Überschuldungsbegriffs im Sinne der Konkursordnung bildete sich erst durch den Diskussionsbeitrag von Karsten Schmidt, der die modifizierte alternative Überschuldungsprüfung entwickelte. Nach dieser Methodik, der im Jahre 1992 der BGH folgte, ist in einem ersten Schritt eine Überschuldungsbilanz unter der Annahme der Liquidation anzufertigen. Eine daraus resultierende Überschuldung, die als rechnerische Überschuldung bezeichnet wurde, kann in einem zweiten Schritt durch eine Fortbestehensprognose modifiziert werden. Wird die Lebensfähigkeit - auf Basis der Prognose - bejaht, ergibt sich infolgedessen keine Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung. Fällt die Prognose negativ aus oder wird eine solche nicht erstellt, liegt nach der herrschenden Meinung und der zuletzt dazu bestimmenden BGH-Rechtsprechung von 1992 zum alten Überschuldungsbegriff eine rechtliche Überschuldung vor. Der Tatbestand des Insolvenzgrunds Überschuldung ist dann erfüllt.

Materiell überschuldete Unternehmen sind auch nach neuem Recht nicht pauschal von der Insolvenzantragspflicht freigestellt. Vielmehr sollen die Unternehmensleiter durch die Neuregelung vor Fehlentscheidungen durch verfrühte Insolvenzanträge bewahrt werden. Entscheidend ist, ob für das Unternehmen in der Krise eine positive Fortführungsprognose aufgrund werthaltiger, inhaltlich belastbarer Finanzpläne gestellt werden kann.